Der erste und einzige Unverpackt Laden der Stadt befindet sich in der Jörg-Ratgeb-Straße in Pforzheim, die sich direkt am Sedan-Viertel befindet. In der Nähe des Enzufers betreibt Sascha Giese ein altmodisches Konzept. Alle Lebensmittel und Produkte, die bei ihm bezogen werden können, müssen in eigenen Behältnissen abgefüllt werden oder kommen gänzlich ohne jede Einweg-Verpackung aus.
Im persönlichen Interview verrät uns Sascha, was ihn dazu bewegt hatte, dieses Geschäft zu eröffnen, seine Beziehung zu Pforzheim und wieso unsere Welt Unverpackt-Läden benötigt.

Wer bist du überhaupt?
Ich war ziemlich lange im Außendienst und musste aus diesem Hamsterrad raus. Bin in Pforzheim geboren und finde Pforzheim super genial und dachte mir, „Wenn ich einen neuen Job brauche, dann ortsansässig.“ Und habe hier am 13. Oktober 2018 den „Unverpackt“-Laden eröffnet.
Warum hast du denn den Unverpackt Laden eröffnet?
Zum einen, weil es uns selbst genervt hat, wie schnell die Mülltonne immer voll war, zum anderen, weil ich überall Plastikmüll gesehen habe und mein alter Job mich einfach kaputt gemacht hat. Ich hatte zwei Bandscheibenvorfälle und war in diesem Rad gefangen, wo es immer höher, schneller, weiter sein musste. Jedes Jahr musste eine Steigerung zu sehen sein und das wollte und konnte ich nicht mehr mitmachen. Dann hatte ich selbst dieses Bedürfnis gehabt, unverpackt einkaufen zu gehen und momentan sieht es so aus, dass viele Pforzheimer das auch tun wollen.
Was ist denn dein Konzept oder was ist der Kern dieses Ladens?
Unverpackt und ohne Einwegverpackung einkaufen zu können ist der Kern des Konzepts. Du bringst sozusagen dein eigenes Gefäß mit und füllst die Produkte in der Menge ab, die du benötigst. Danach bringst du alles nach Hause und stellst die abgefüllten Behälter ins Regal. Du musst nichts mehr auspacken oder entsorgen. Nachhaltig reduzierst du damit deine Müllproduktion.
Warum hast du dich für Pforzheim entschieden?
Ich bin in Pforzheim geboren und ich finde Pforzheim hat nach außen einen leicht verrufenen Status. Ein Beispiel: „Pforzheim hat keine vernünftigen Läden. Man kann abends nicht gut ausgehen“. Pforzheim hat in meinen Augen ein paar wunderschöne Perlen, diese sind nur etwas verteilt. Wir haben diese Perlen leider nicht alle in einem Viertel, sondern müssen uns von A nach B bewegen. Ich dachte mir dann, dass ich gerne eine davon sein möchte. Es ist meine Heimat und wenn ich eröffne, dann in meiner Heimat. Ich möchte auch nicht mehr weit auf die Arbeit fahren. Ich habe einen Arbeitsplatz, an dem ich auf’s Wasser sehen kann. Teilweise sehe ich das Wasserspiel am Melanchtonhaus. Es fühlt sich so an, als wäre ich am Meer.
Was verbindet dich persönlich mit Pforzheim, außer dass du hier aufgewachsen bist?
Ich habe in der Innenstadt meine Ausbildung abgeschlossen. Leider in einem Fachgeschäft, das es heute nicht mehr gibt. Ich wohne in Wurmberg und für mich ist es die Größe des Angebots, wenn ich etwas einkaufen will. Ich habe hier gut mein halbes Leben im Einzelhandel verbracht und fühle mich einfach wohl. Ich merke das auch hier im Geschäft. Viele, die von außerhalb kommen, finden Pforzheim echt schön und sagen: „Oh ich war dort, dort und dort.“ Es sind in meinen Augen immer nur die Pforzheimer, die sagen, dass es hier langweilig sei.
Worauf bist du besonders stolz?
Ich bin stolz darauf, dass ich das mit der Eröffnung hinbekommen habe. Mit den unzähligen Hürden, den kleinen Steinchen, die uns in den Weg gelegt wurden. Bin einfach stolz darauf, dass viele Menschen das annehmen und hoffen natürlich auch, dass wir weiterhin sehr viele Leute erreichen werden. Ich freue mich sehr, dass ich eine Möglichkeit geschaffen habe, dass du nun unverpackt einkaufen kannst. So können wir Pforzheim schöner und interessanter gestalten.

Was ist das schönste, was in deinem Laden passiert ist?
Es gab sehr viele tolle Erlebnisse. Eine Schulklasse war einmal zu Besuch und alle waren sie begeistert darüber selbst abfüllen zu dürfen. Das war eine 6. oder 7. Klasse. Einer dieser Schüler kam dann in den darauffolgenden Tagen mit seiner Mutter vorbei und zeigte ihr den Laden. Ab da an kommen beide nun Freitag oder Samstag vorbei und füllen ihre Gefäße ab. Die haben bei mir auch ein kleines Gemüseabo. Sie braucht eben zum Wochenende hin ganz viele Karotten. Wir bereiten das immer für sie vor, damit sie auch immer die richtige Menge bekommt. Das ist eins von hunderten tollen Ereignissen.
Was ist deine Lieblingslocation in Pforzheim?
Jetzt muss ich mich hier outen, denn durch die Kinder gehe ich relativ wenig weg. Aber es gibt zwei Lokalitäten, die ich gerne besuche. Zum einen ist es das „The Rock“. Ich bin ein kleiner Rocker und da läuft einfach meine Musik und ich kann mich cool unterhalten. Es ist egal mit welchem Outfit ich da hingehe. Da fühle ich mich ganz wohl. Zweitens bin ich Fleischesser und wenn ich die Zeit habe gehe ich unheimlich gerne ins „Tango“, das in der Nordstadt ansässig ist. Ich liebe es. Es ist schlicht, liefert tolle Qualität zu einem bezahlbaren Preis und das Ambiente ist toll. Früher im Außendienst war es so, dass ich oft Geschäftstermine dort hatte und jeder hat davon geschwärmt.
Was wird bei dir im Laden am häufigsten gekauft?
Am häufigsten sind es Haferflocken. Dann noch sehr viel Schokolade und ein hoher Anteil an Nüssen. Das sind die drei Dinge, auf die sich alle stürzen.
Was geht bei dir am schlechtesten weg? Welche Besonderheit kann ich bei dir im Laden kaufen?
Sojaschrot funktioniert gar nicht. Habe auch daran gedacht, noch mehr Soja anzubieten. Aber werde es eher wieder reduzieren. Vegane Kondome erwartet man bei uns gar nicht. Die sind natürlich nicht unverpackt. Dann haben wir Milch vom Biolandhof Blessing, Creme Freche, Frischkäse und Frischkäse mit Meerrettich im Pfandglas. Seit neuestem haben wir unverpackte Muskatnüsse.
Etwas von dem du dir wünscht, dass es in Pforzheim verändert wird?
Wir brauchen mehr stolze Pforzheimer, die Pforzheim so lieben, wie es ist. Ich bin der Meinung, dass wenn du dir bewusst bist, wo du wohnst, wenn du die Stadt liebst, in der du lebst, wenn du die schönen Ecken kennst, sprichst du auch anders darüber. Das wünsche ich mir. Natürlich laufen ein paar Sachen schief, aber wo denn nicht? Wir hangeln uns immer von negativer zu negativer Schlagzeile, anstatt das Positive zu sehen. Pforzheim ist wie ein Dorf, wie ein sehr großes Dorf. Wir sollten uns einfach darauf einlassen und uns wie eine Dorfgemeinschaft verhalten. Dann wird alles gut!
Welche positiven Auswirkungen hat dein Laden auf Pforzheim?
Ich hoffe natürlich, dass der Laden keine negativen Auswirkungen auf Pforzheim hat. Die positiven Auswirkungen kristallisieren sich langsam heraus. Ich sagte schon anfangs, noch vor der Eröffnung, in jedem Presseartikel, dass ich mir neben dem Einkauf auch einen Austausch wünsche. Unsere Pinnwand war sehr lange leer und mittlerweile kommt da echt Leben rein. Ich merke, dass Leute auf mich zukommen und sagen: „Was ihr habt eine Tauschparty? Wow super, das wusste ich gar nicht“. Es kommen schon Leute hier her, um das Gespräch zu suchen und das finde ich unheimlich schön. Mit fällt auf, dass es ganz viele tolle Gruppen gibt, die bis zu 20 Personen umfassen und etwas erreichen möchten. Schön wenn diese bei uns oder bei einer der anderen Perlen Pforzheims zusammen kommen.
Wie findest du PFNext?
Ganz ehrlich, super! Also, als du mir das geschickt hast, fand ich es gut. Ich glaube Pforzheim braucht etwas, dass eben aufzeigt, wo die Perlen sind, wo man hingehen kann und wo ich mein Interessen finden kann. Ich wusste nicht, dass es hier in Pforzheim ein Laden oder eine Institution gibt, bei dem ich Spiele für meine Kinder ausleihen kann. Wir hätten uns ganz viel Geld und Müll sparen können, wenn wir das vorher gewusst hätten. Und ich denke, das sind diese Perlen. Wenn ihr die aufzeigt, ihr habt einen tollen Fahrplan, dann macht auch ihr Pforzheim deutlich schöner, besser und attraktiver.